Achsfehlstellungen

Die Fehlstellungen der Fohlen kann man in 3 Kategorien unterteilen wobei auch sämtliche Kombinationen möglich sind:

Achsfehlstellungen
Rotationsfehlstellung
Sehnenfehlstellung


Achsfehlstellungen

Definition: Abweichung von der Geraden, wenn die Gliedmaße von vorne bzw. hinten betrachtet wird

Für Fehlstellungen relevante Wachstumszonen. Schematische Darstellung, Röntgenbild und Foto einer Valgus- Stellung. Rot Wachstumsfuge, blau Gelenksknorpel. Von unten nach oben: obere Wachstumsfuge des Kronbeins, obere Wachstumsfuge des Fesselbeins, untere Wachstumsfuge des Röhrbeins, untere Wachstumsfuge des Unterarms.

Die Beurteilung einer Achsfehlstellung ist relativ unproblematisch. Im medizinischen Sprachgebrauch wird eine X-beinige Stellung als Valgus und eine O-beinige Stellung als Varus bezeichnet.

Bezeichnung der Achsfehlstellungen

Ursachen für Achsfehlstellungen

Hinsichtlich der Dringlichkeit und Art des Eingreifens ist es unabdingbar zu wissen, wodurch die Fehlstellung entstanden ist. Grundsätzlich kommen drei Ursachen in Frage:

  • Instabilität bzw. Weichheit der Seitenbänder
  • Unreife Knochen des Karpal- oder Tarsalgelenkes
  • Ungleiches Wachstum der Wachstumsfuge

Bei Instabilität der Seitenbänder und unreifen Knochen im Karpal- bzw. Tarsalgelenk wird die Fehlstellung sofort bei der Geburt oder in den ersten Tagen sichtbar. Welches der beiden Probleme vorliegt ist nur über den Tierarzt durch Röntgenaufnahmen zu unterscheiden. Von entscheidender Wichtigkeit ist in beiden Fällen, dass unmittelbar gehandelt werden muss, um Dauerschäden zu verhindern. Leider wird dies aus Unwissenheit meist versäumt.

Wenn ungleiches Wachstum der Wachstumsfuge Ursache für die Fehlstellung ist, tritt die Fehlstellung erst im Laufe des weiteren Wachstums auf. Hier hat man etwas mehr Zeit Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Der Ursprung der Achsfehlstellung ist oft nur durch Röntgenaufnahmen zu ermitteln. Auf dem Röntgenbild zeigt die oberste rote Linie den Verlauf der Wachstumsfuge, die unteren drei Linien die Gelenkspalten. Es ist ersichtlich, dass die Fehlstellung nicht aus der Wachstumsfuge, sondern aus dem Gelenk kommt

Was ist zu tun bei Achsfehlstellungen?

Oft reichen eine Überwachung der Entwicklung der Fehlstellung und ein korrektes Management hinsichtlich Bewegung. Die meisten Fehlstellungen korrigieren sich von alleine wenn:

    • Die Bewegung angepasst wird
    • Die Hufe entsprechend korrigiert werden
    • Ursächliche Probleme abgestellt werden

Wann muss eingegriffen werden?

  • Wenn das Ausmaß der Fehlstellung ein bestimmtes Maß übersteigt.
    • Wenn eine Fehlstellung mit mehr als 15° Achsabweichung vorliegt, muss man den Huf korrigieren und Boxenruhe verordnen. Wenn das  nicht reicht, muss man operativ ein Periost Stripping vornehmen (siehe unten).
  • Wenn eine Fehlstellung mit mehr als 30° Achsabweichung vorliegt, sollte sofort eine Schiene angelegt und der Huf korrigiert werden. Das Risiko einer ungenügenden Besserung ist in diesen Fällen häufig und es wird im weiteren Verlauf eine operative Blockierung der Wachstumsfuge notwendig (siehe unten).
  • Wenn die Wachstumszone permanent geschädigt ist, muss operativ eingegriffen werden, da der Körper nicht mehr selbst korrigieren kann.
  • Wenn die Zeit für eine selbstständige Korrektur durch den Körper nicht reicht. Dabei sind knapp bemessene Zeitfenster zu berücksichtigen. Die Wachstumsfugen in der Fessel schließen mit 3 Monaten. Wenn man das Wachstumspotential ausnutzen will, muss ein operativer Eingriff hier bis spätestens 6-8 Wochen nach der Geburt erfolgen. Die Wachstumsfugen am Karpalgelenk und Sprunggelenk schließen 6-8 Monate nach der Geburt, weshalb hier etwas mehr Zeit besteht, um dem Körper die Chance zu geben die Fehlstellung ohne Hilfe zu korrigieren.

Instabilität des Bandapparates

Eine Instabilität des Bandapparates ist in aller Regel schon bei der Geburt vorhanden. Meist handelt es sich um eine Valgus- Fehlstellung. Zur Differenzierung gegenüber einer unvollständigen Verknöcherung müssen spätestens 2-3 Wochen nach der Geburt Röntgenbilder angefertigt werden. Man kann auch versuchen manuell zu palpieren, ob eine vermehrte Instabilität nach lateral bzw. medial besteht. Dies ist aber sehr unzuverlässig

Maßnahmen bei einer Instabilität des Bandapparates:

  • Die Fehlstellung sollte sich bei reduzierter Bewegung (10-20 min Schritt)
    binnen 1-2 Wochen ausgleichen (maximal 1 Monat)
  • Den Huf korrigieren bzw. anpassen.
  • Wenn eher eine Verschlechterung eintritt, sollte  binnen 2-3 Wochen eine Schiene anlegt werden.
  • Wenn nach 4- 6 Wochen die Fehlstellung nicht ausgeglichen ist, ist eine Operation notwendig.
  • Eine Röntgenkontrolle alle 2 Wochen ist ratsam.

Unvollständige Ossifikation

  • Auch diese Veränderung ist sofort bei der Geburt bzw. kurz darauf vorhanden. Sie tritt vor allem bei unreifen oder nicht ausreichend ausgebildeten Fohlen auf. Bei diesen Fohlen bestehen die kleinen Knochen, die das Karpal- bzw. Tarsalgelenk bilden, noch weitgehend oder vollständig aus Knorpel, ohne einen ausreichend stabilisierenden Knochenkern. Die kleinen Knochen sind dann noch nicht in der Lage das  Gewicht des Fohlens zu tragen und werden meist auf einer Seite zusammengedrückt, was eine Fehlstellung im Gelenk bewirkt.
  • Wie bei der Instabilität des Bandapparates lässt sich die Fehlstellung meist durch manuellen Druck „korrigieren“, weshalb zur Differenzierung Röntgenaufnahmen notwendig sind.
  • Die Situation bei Unreife ist sehr kritisch, denn wenn nicht gleich behandelt wird, sind Schäden nicht mehr korrigierbar. Nach 2 Wochen ist es evtl. schon zu spät!
  • Wenn man weiß, dass ein Fohlen unreif ist, sollte man auch bei geraden Beinen sehr wachsam sein. Die ersten 2 Wochen sollte in diesen Fällen die Bewegung eingeschränkt werden, wenn nicht röntgenologisch überprüft ist, dass bereits eine ausreichende Verknöcherung eingetreten ist.
Beispiel für Schäden, die bei unvollständiger Verknöcherung auftreten können. Rechts gesundes Sprunggelenk, links Vergrößerung eines eingedrückten Knochens im Sprunggelenk mach Ausreifung der Knochen
Ein weiteres Beispiel ist “Jugendspat” wie auf diesem Röntgenbild. Der Mittlere Gelenkspalt ist auf Grund von Stauchung der Knochen vollständig verwachsen

Maßnahmen bei unvollständiger Ossifikation:

  • Absolute Boxenruhe bis zum Alter von ca. 1 Monat
  • Sofort eine gut gepolsterte Schiene anlegen und spätestens alle 3-4 Tage wechseln. Das Schienen von Neugeborenen ist äußerst problematisch, da zum einen die Haut sehr empfindlich ist und es sehr schnell zu Druckstellen kommen kann. Zum anderen wird das Aufstehen und Säugen u.U. stark behindert.
  • Die Hufe sehr bald korrigieren bzw. anpassen.
  • Wenn eine Verschlechterung binnen 2-3 Wochen eintritt muss aggressiver therapiert werden. Dazu kann ein Kunststoffgips (Lightcast) unter Kurznarkose oder eine straffe Schiene ohne Einschränkung des Fesselgelenks angepasst werden. Es gibt dazu von der Humanmedizin abgeleitete Schienen mit Gelenken, die aber sehr teuer sind. Nach 10-14 Tagen muss man den Gips wechseln und je nach Sachlage evtl. noch einmal für 1- 2 Wochen anlegen bis die Gliedmaße gerade ist  bzw. die kleinen Knochen der Gelenke ausreichend verknöchert sind.
  • Röntgenkontrollen sollten alle 2 Wochen durchgeführt werden.
  • Wenn das nicht reicht, wird ein operativer Eingriff (Periost Stripping siehe unten) notwendig. Dadurch wird eine Beschleunigung des Geraderichtens ab der 2. Lebenswoche möglich, wobei die Wirkung der Wachstumsbeschleunigung binnen 2 Monaten eintreten muss. Der Eingriff muss spätestens bis zum 2. Monat durchgeführt werden, wenn die Gliedmaße fast gerade ist, kann man noch 1 Monat länger warten.

Ungleichmäßiges Wachstum der Epiphysen

Hier liegt die Achsabweichung oberhalb des Gelenks in der Epiphyse oder direkt in der Röhre. Eine Differenzierung gegenüber den anderen Ursachen ist nur mittels Röntgen sicher möglich. Ein deutlicher Hinweis für diese Art der Veränderung ist aber der zeitliche Verlauf. Meist entwickelt sich die Fehlstellung erst nach einigen Wochen bis Monaten. Wenn die Gliedmaßen lagerungsbedingt im Uterus „verbogen“ sind, dann ist die Achsabweichung sofort ab Geburt sichtbar. Meist liegt dann eine Kombination mit weiteren Problemen vor.

Maßnahmen bei ungleichmäßigem Wachstum der Epiphysen:

  • Gips oder Schienen sind hier absolut kontraindiziert.
  • Die einzige Chance besteht darin, das Wachstum der Epiphyse zu regulieren, was durch reduzierte Bewegung und durch Anpassung der Unterstützungsfläche am Huf erreicht werden kann.
  • Wenn nach 4-6 Wochen die Fehlstellung nicht ausgeglichen ist, wird eine Operation notwendig. Periost Stripping (siehe unten) ist zur Beschleunigung ab der 2. Woche möglich, die Wirkung muss binnen 2 Monaten eintreten. Alternativ ist auch bis zu einem etwas späteren Zeitpunkt noch eine operative Blockierung der Wachstumsfuge durch Klammerung  möglich (siehe unten). Wenn eine sehr starke Fehlstellung vorliegt, ist  auch eine Kombination beider Verfahren möglich.

Zeitraster bei der Behandlung von Achsenfehlstellungen

  • 1.(-2.) Tag : Sofortmaßnahmen bei Unreife (Boxenruhe, Röntgen, Schienen)
    • Fehlstellung unter 15°
        • Fotografieren
        • Boxenruhe
        • kein freier Auslauf
        • Bei Verdacht auf Unreife Röntgen
    • Fehlstellung über 15°
        • Röntgen
        • Boxenruhe
        • Schienen
           
  • 3./4. Tag nach der Geburt: Nachuntersuchung und Entscheidung über weitere Maßnahmen je nach Situation (Röntgen, Bewegungseinschränkung, Hufkorrekturen, OPs)
    • Besserung
        • Fotografieren
        • Unterstützung am Huf
    • Keine Besserung oder Verschlechterung
        • Röntgen
        • Boxenruhe
        • Schienen
    • Wenn bereits geschient, abwarten
       
  • 2 Wochen nach der Geburt: Nachuntersuchung und Entscheidung über weitere Maßnahmen je nach Situation (Röntgen, Bewegungseinschränkung, Hufkorrekturen, OPs)
    • Unvollständige Besserung
      • Röntgenkontrolle
    • Keine Besserung
      • Röntgen
      • Boxenruhe
      • Schienen
    • Verschlechterung
      • Periost Stripping
         
  • 4 (max. 6) Wochen nach der Geburt: Nachuntersuchung und Entscheidung über weitere Maßnahmen je nach Situation (Röntgen, Bewegungseinschränkung, Hufkorrekturen, OP´s)
    • Unvollständige Besserung
      • Röntgenkontrolle
    • Keine Besserung
      • Röntgen
      • Je nach Sachlage Periost Stripping
    • Verschlechterung
        • Periost Stripping
        • Schienen

Schienen

Ideal sind Schienen, die nach humanmedizinischen Prinzipien gefertigt sind. Das beinhaltet, dass auf Gelenkshöhe auch in der Schiene ein Gelenk angebracht ist. Diese Schienen werden je nach Zustand unterschiedlich lange am Tag angelegt. Der Vorteil liegt darin, dass die Beweglichkeit erhalten bleibt und die Gefahr von Druckstellen erheblich reduziert ist. Der Nachteil liegt in der Schwierigkeit der Beschaffung und den hohen Kosten.

Schiene mit Gelenk

Hufkorrekturen

Auf die speziellen Korrektur- und Unterstützungstechniken soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Grundsätzlich muss die Korrektur der Hufe häufig (alle 1 bis 2 Wochen) erfolgen. Dabei sollte nicht zu viel gekürzt werden, da am Fohlenhuf nicht viel Horn zur Verfügung steht. Außerdem sollte nicht lediglich eine Seite gekürzt werden sondern der Huf in eine der normalen Form angepassten Zustand geraspelt werden.

Konzept der Korrektur der Achsfehlstellung

Grundsätzliches Konzept zur Korrektur einer Fehlstellung beim Fohlen. Diese Maßnahme darf nur beim wachsenden Fohlen und unter Kontrolle der Auswirkungen angewandt werden! Auf der zu kurzen Seite der Gliedmaße wird gekürzt, wodurch auf der zu langen Seite Druck entsteht und die zu kurze Seite entlastet wird.

Klebeschuhe

Klebeschuhe zum Ausgleich der Unterstützungsfläche können sehr hilfreich sein. Wegen der schnellen Hufexpansion bei jungen Fohlen dürfen sie maximal 2-3 Wochen am Stück angewendet werden. Vor einer nochmaligen Anwendung muss dem Huf eine Pause von mindestens 1-2 Wochen zur Erholung gegeben werden. Alternativ kann mit Kunsthorn gearbeitet werden, wenn keine großen Stützflächenerweiterungen notwendig sind oder Klebeschuhe nicht angewandt werden können.

Klebeschuh aus Kunstoff zur Verbreiterung der Stützfläche bei Achsfehlstellung

Operationen

Grundsätzlich kommen zwei unterschiedliche Ansätze zur Anwendung. Beim einem – dem Periost Stripping – provoziert man den einseitigen Längenausgleich durch Stimulierung des Wachstums auf der zu kurzen Seite. Bei der anderen Methode – der Blockierung der Wachstumsfuge – verhindert man mittels verschiedener Techniken auf der zu langen Seite das Wachstum und erreicht dadurch ein Geraderichten der Gliedmaße. In besonders schlimmen Fällen können beide Verfahren kombiniert werden.

Blockierung der Wachstumsfuge am Sprunggelenk durch Verdrahtung
Periost Stripping und Geraderichten im Verlauf des Wachstums. Im Linken Bild zeigt der Pfeil auf die Wachstumsfuge. Im mittleren Photo muss der Huf korrigiert werden und die Verbreiterung der Unterstützungsfläche erneuert werden. Zum Ende des Wachstums, war das Bein vollkommen gerade, was hier nicht abgebildet ist.

Wie aus folgender Abbildung ersichtlich machen bestimmte Operationen an jeweils verschiedenen Lokalisationen nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Sinn, weil danach nicht mehr ausreichend Wachstumspotential in den Wachstumsfugen vorhanden ist, um einen Längenausgleich zu erreichen.

Maximale Zeitpunkte bis zu denen bestimmte Operation ausreichend Wirkung zeigen

Link zu Flowchart Behandlung Fohlenfehlstellung (PDF drei Seiten)

Rotationsfehlstellungen