Rotationsfehlstellung

Die Beurteilung einer Achsfehlstellung kann irreführend sein, wenn man nur eine oberflächliche Betrachtung durchführt. Im folgenden linken Bild scheint von vorne betrachtet eine ganz normale Valgus- Achsfehlstellung vorzuliegen. Verfolgt man aber die Achse aus der Richtung der vermeintlichen Fehlstellung (grüner Pfeil), erkennt man, dass die Gliedmaße in der Achse gerade ist, so dass also keine Achsfehlstellung, sondern eine Rotation der Gliedmaße zu der Fehlstellung führt.
Eine Rotationsfehlstellung kann bei oberflächlicher Betrachtung leicht als Achsfehlstellung interpretiert werden.

Für eine korrekte Beurteilung muss man also zuerst überprüfen ob eine Rotation vorliegt. Dazu überprüft man, in welche Richtung das Karpalgelenk zeigt und betrachtet die Gliedmaße dann aus dieser Richtung. So kann man eine Rotation von anderen Achsabweichungen unterscheiden. In vielen Fällen liegt eine Rotationsfehlstellung zusammen mit einer Achsfehlstellung vor.

Bei der isolierten Begutachtung von Röntgenbildern muss man ebenfalls vorsichtig sein. Wenn die Röntgenaufnahme “korrekt” mit 0° von vorne geschossen wird, kann eine Rotationsfehlstellung bei oberflächlicher Betrachtung leicht als Achsfehlstellung fehlinterpretiert werden.

Gefahr der Fehlinterpretation einer Achsfehlstellung. Linkes Bild mit 0° von vorne geschossen, das rechte entsprechend der Rotation der Gliedmaße. Bei der 2. Aufnahme erkennt man dass die Gliedmaße gerade ist.

In den ersten Wochen ist eine gewisse Rotation nach außen vor allem an der Vordergliedmaße normal und sogar wünschenswert. Eine Außenrotation der Zehenachse von 2-5° nach außen ist bei Geburt als korrekt anzusehen. Der Ellenbogen wird dabei an der Brustwand abgestützt und hilft dem Fohlen beim Stehen Kräfte zu sparen. Mit Zunahme der Brustbreite bzw. des Wachstums des Brustkorbs drückt dieser auf den Ellenbogenhöcker und rotiert damit die Gliedmaße in ihre korrekte Stellung.

Vorsicht: Wenn das Karpalgelenk bei der Geburt nach außen rotiert, die Zehenachse jedoch gerade ist, ist das ein Varus, der in Kürze nach innen rotiert!

Eine korrekte Beurteilung und Einordnung ist außerordentlich wichtig, denn davon hängen das weitere Vorgehen und die Eingriffsmöglichkeiten ab.

Maßnahmen bei Rotationsfehlstellungen:

Im Fall einer zu gravierenden oder anhaltenden Rotationsfehlstellung sind die Therapiemöglichkeiten sehr begrenzt. In der Regel beschränken sie sich auf die Beeinflussung der Achsfehlstellung und folgen deren Richtlinien. Theoretisch besteht die Möglichkeit mittels Osteotomie den relevanten Knochen zu durchtrennen und in der korrekten Stellung wieder zusammenzuschrauben. In der Praxis wird dies beim Pferd aber wegen der Schwere des Eingriffs nicht durchgeführt.