Grundlagenwissen über Wachstumsstörungen beim Fohlen

Entwicklung von Fehlstellungen und die Prinzipen der Gegenmaßnahmen

Im folgenden Artikel soll auf die Grundlagen der Entstehung von Wachstumsstörungen und deren Management eingegangen werden. Fundiertes Wissen ist notwendig, denn wird nicht korrekt reagiert, kommt es sehr schnell zu oft nicht oder nur schwer umkehrbaren Schäden.

Achsfehlstellung mit nachfolgender Überbelastung und Schädigung des Seitenbandes des Hufgelenkes. Oben gesunde Struktur, unten “Fehlen” von Faserstruktur bei einem geschädigten Band

Die Häufigkeit von Wachstumsstörungen wird allgemein unterschätzt. Je nach Definition und Aufbereitung des Datenmaterials wird in der Literatur bei normal aufgezogenen Fohlen eine Häufigkeit von 10% bis 50% festgestellt. Die Wachstumserkrankung Osteochondrose kommt bei bis zu 25% der Fohlen vor. Wir haben es also mit einem weit verbreiteten Problem zu tun.

Im Weiteren wird die englische Abkürzung „DOD“ (developmental orthopedic disorders) für Wachstumsstörungen verwendet, da sie auch im deutschen tierärztlichen Sprachgebrauch sehr häufig Verwendung findet. Gemäß Definition fallen unter DOD alle nicht durch eine Infektion (z.B. Fohlenlähme) bedingten Wachstumsstörungen. Der Gefährdungszeitraum erstreckt sich über die Wachstumsphase von der Geburt bis etwa einem Alter von 1 ½ Jahren.

DOD umfasst folgende Krankheiten:

  • Fehlstellungen
    • Achsfehlstellungen
    • Rotationsfehlstellung
    • Sehnenfehlstellungen
  • Osteochondrose
    • Gelenkflächenveränderungen
    • OCD bzw. Chips
    • Zysten
  • Physitis/ Epiphysitis
    • Entzündung der Wachstumsfuge

DOD ist eine multifaktorielle Erkrankung, was bedeutet, dass nicht ein einzelner Faktor sondern eine Vielzahl verschiedener Faktoren im Zusammenspiel zur Erkrankung führen. Dabei spielen Umweltfaktoren und das Aufzuchtmanagement die Hauptrollen.

Faktoren für die Auslösung von DOD

    • Genetische Veranlagung
    • Zu schnelles Wachstum
      • Überfütterung
      • Genetische Veranlagung
    • Bewegungsmangel
    • Verletzung
    • Biomechanische Faktoren – Fehlstellung
    • Stress am Knochen
    • Überbelastung – zu starke Bewegung
    • Übergewicht
    • Fehlernährung
    • Überfütterung oder Mangelversorgung mit Energie und Protein
    • Über- oder Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen

Genetik

Die erbliche Veranlagung wird grundsätzlich als Schlüsselfaktor angenommen. Sie ist wissenschaftlich nachgewiesen unter anderem für Chips im Sprunggelenk und die Ausbildung von Bockhufen. Vererbt wird die Veranlagung zum schnellen Wachstum und zur Übergröße, was zur  Chipbildung prädisponiert. Ebenfalls vererblich ist die Veranlagung zu einem gestörten Kollagen- Metabolismus.

Die Stute

Auch beim Faktor Stute gibt es verschiedene begünstigende Umstände:

  • Zu wenig Raum im Uterus (vermutlich wenig Bedeutung)
  • Zu kleine Gebärmutter oder schlechte Ankopplung an mütterlichen Kreislauf
  • Intrauterine Unterernährung/Unterversorgung
  • Überfütterung der Stute während der Trächtigkeit
  • Zwillingsträchtigkeit

Bewegung

Bewegung ist essentiell für eine gesunde Entwicklung des Bewegungsapparates. Zu wenig bedeutet keine Anpassung an zukünftige Belastungen und ein schwaches Fundament. Der Gelenksknorpel verliert darüber hinaus auch für die Zukunft die Fähigkeit sich an Belastungen anzupassen. Eine ungenügende freie Bewegung in den ersten Lebensmonaten bedingt eine lebenslange ungenügende Gelenksknorpelbildung. Entscheidend sind dabei die ersten 5 Monate. Zu viel Belastung ist ebenfalls schädlich. Eine weitgehende Stallhaltung mit kurzen wilden Freilaufepisoden ist am schädlichsten.

Ernährung

Fütterungsfehler verursachen in der Regel alleine keine DOD. Es sind fast immer noch weitere Faktoren oder Auslöser im Spiel, die Fütterungsfehler sind nur ein zusätzlicher Faktor. Die schädlichen Effekte falscher Bewegungsbelastung lassen sich z. B. mit Kohlenhydratüberfütterung noch steigern. Von mehreren verdächtigen Problembereichen sind lediglich zwei bewiesen:

  • Die Überfütterung mit leicht verdaulichen Kohlenhydraten (Getreide)
  • Mineralstoff- Imbalancen mit:
    • Kalzium
    • Phosphor
    • Kupfer
    • Zink

Auch bei optimaler Fütterung kann die genetische Veranlagung reichen, um DOD zu verursachen.

Kohlenhydrate

Zu wenige Kohlenhydrate in der Ration ist schädlich, da es Unterentwicklung begünstigt. Zu viel ist ebenfalls schädlich, da es zu den Wachstumsstörungen führt. Eine Ration, die 30% mehr Kohlenhydrate als der Bedarf anbietet, reicht für eine Entgleisung der Systeme. Vor allem Getreideprodukte inkl. Fohlenstarter sind riskant. Genauso gefährlich kann eine zu fette Weide, ein zu großes Milchangebot durch die Stute sowie ein zu energiereiches Futterangebot für die Stute selbst sein. Ein Problem bei der Kohlenhydratversorgung liegt darin, dass niemand den individuell optimalen Wert für ein spezifisches Individuum genau weiß.

Die potentiell schädliche Wirkung von zu vielen Kohlenhydraten beruht auf mehreren Mechanismen:

  • Begünstigung zu schnellen Wachstums
  • Förderung von Übergewicht und Überbelastung des Fundaments
  • Einfluss auf das Insulinsystem und den Schilddrüsen- sowie Wachstumshormonspiegel

Eine Proteinüberversorgung ist kein Auslösefaktor für DOD.

Kalzium / Phosphor

Kalzium und Phosphor sind die mineralischen Hauptmineralbestandteile der Knochen. Bei der Entstehung von DOD sind nicht nur die absoluten Mengen, sondern das Verhältnis der Angebote in der Ration entscheidend. Der Ca:P- Idealwert liegt bei 1,5:1 bis 2,5:1. Bei einem fehlerhaften Verhältnis ist ein Phosphor Überschuss schädlicher, weil dann die Kalzium Resorption behindert und damit die Situation weiter verschlimmert wird. Die Folge ist ein Kalzium Mangel.  Mehr Kalzium in der Ration kann die Imbalance nicht ausgleichen, wenn das Verhältnis nicht stimmt.

Getreide hat ein Ca:P- Verhältnis von unter 0,3:1, manches Heu erreicht gerade 1,5:1. Hier ist unbedingt durch Mineralfutter für Ausgleich zu sorgen.

Kupfer

Kupfer wird für die Kollagensynthese benötigt. Kollagen ist ein essentieller Strukturbestandteil von Knochen. Kupfermangel begünstigt DOD und insbesondere OCD. Ein Kupfer Überangebot ist ebenfalls nicht ratsam.

Zink

Zink ist essentiell für eine normale Bindegewebs- und Knochenentwicklung. Nicht die absolute Menge sondern das Verhältnis Zn:Cu ist entscheidend, welches bei 3:4 bis 4:1 liegen sollte. Zu viel Zink behindert die Kupfer- Resorption.

Andere Mineralien und Spurenelemente

Eine Überversorgung oder Intoxikation mit folgenden Elementen wird mit DOD in Verbindung gebracht:

  • Jod
  • Selen
  • Fluor
  • Blei
  • Molybdän
  • Cadmium

Vitamin D

Vitamin D ist für die Kalzium und Phosphor Aufnahme notwendig. Ein Mangel ist heute nur noch extrem selten. Die Erkrankung wird als Rachitis bezeichnet. Sie äußert sich in einer Erweichung der Knochen mit Verbiegung und spontanen Brüchen.

Bei aller Komplexität des oben Beschriebenen ist der Rat für die Praxis recht simpel:

  • „Vernünftig“ füttern
  • Für wachsende Pferde nur für diesen Lebensabschnitt konzipierte Futtermittel verfüttern